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Monatslohn: 1600 Franken

Herisau. Sozialmissbrauch ist momentan in aller Munde. Drei Herisauer Sozialhilfebezieher zeigen auf, mit welch knappen Mitteln sie durchs Leben gehen und trotzdem motiviert sind zu arbeiten.

«Missbrauch ist Realität» titelte die Herisauer Zeitung/Appenzeller Rundschau in der letzten Ausgabe. Seit die Wochenzeitung «Weltwoche» vor einigen Wochen Systemfehler im Zürcher Sozialwesen aufgedeckt hat, haben sich die Schlagzeilen über den Missbrauch von Sozialgeldern überhäuft. Sozialhilfeempfänger sind faul und nutzen das System aus, lautet die Botschaft dieser Berichterstattungen. Klar, dass dies vielen Sozialhilfeempfängern, die mit minimalen Beiträgen durchs Leben gehen, sauer aufstösst. Was geht konkret im Kopf eines Sozialhilfeempfängers vor, wenn er von Sozialmissbrauch hört? Unsere Zeitung hat mit drei Betroffenen aus Herisau gesprochen und veröffentlicht die Ergebnisse in den folgenden Ausgaben.


«Meine Ansprüche sind nicht so hoch»
Der Herisauer R.A.* ist gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin im Verkauf tätig, als ihr Arbeitgeber Konkurs geht und herauskommt, dass dieser ihnen zwar AHV/IV-Beiträge abgezogen, jedoch nie einbezahlt hat. Mit 58 Jahren steht R.A. ohne Arbeit da und auf Bewerbungen folgt eine Absage nach der anderen. Über das RAV gelangt er zum Sozialamt, wo sich R.A. gleich über allfällige Arbeitsmöglichkeiten informiert.

Seit Januar 2006 ist R.A. nun im WinWohnen der Stiftung Tosam tätig und verdient bei einem Stundenlohn von elf Franken einen monatlichen Lohn von 1600 Franken. Beiträge aus der Sozialhilfe bekommt R.A. seit diesem Januar nicht mehr, da seine Lebensgefährtin und er als Konkubinat eingestuft werden und das Existenzminimum bei einem 3-Personen-Haushalt bei 1786 Franken festgelegt ist. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin und deren Sohn lebt er heute in einer 3-Zimmerwohnung in Herisau, die 780 Franken exklusiv im Monat kostet. Davon muss R.A. für einen Drittel aufkommen.

Wie muss man sich ihren Alltag vorstellen?
Ich arbeite mit einer zirka einstündigen Mittagspause von 7.30 bis 18 Uhr im WinWohnen bei der Stiftung Tosam. Den Abend verbringe ich gemeinsam mit meiner Lebensgefährtin und ihrem 12-jährigen Sohn. Wir machen Spiele oder schauen die Tagesschau. Nach einem strengen Tag bin ich dann um 21 Uhr froh, ins Bett zu fallen.

Wie muss man sich Ihren Lebensstandart vorstellen?
Wir haben es uns in unserer 3-Zimmerwohnung gemütlich gemacht. Durch meine Arbeit im WinWohnen sitze ich ja direkt an der Quelle, so stammt der Grossteil unserer Möbel von dort. Ferien hingegen liegen nicht drin. Vor drei Jahren war ich das letzte Mal eine Woche im Tessin – mit dem Zelt. Shoppingtouren, Kino- oder Theaterausflüge liegen ebenso nicht drin. Jedoch sind meine Partnerin und ich leidenschaftliche Hobby-Köche. So können wir uns abends etwas Feines Kochen. Wir stammen beide aus einer «Büetzerfamilie» und wissen, wie es ist, mit wenig auszukommen. Deshalb sind unsere Ansprüche vielleicht nicht so hoch wie bei anderen.

Was halten Sie von Sozialmissbrauch?
Bei mir löst der Begriff gemischte Gefühle aus. Ich denke, das Ganze ist eine Lebenseinstellung. Wer das Sozialamt betrügt, ist ein «Bschissne Chogg». Ich denke, am Schluss kommt alles zurück.

Was machen Sie, um aus ihrer misslichen Lage herauszukommen?
Ich bewerbe mich regelmässig und statte dem RAV alle drei Monate einen Besuch ab. Jedoch ist es in meinem Alter nicht einfach, einen Job zu finden.

Was motiviert Sie, für 1600 Franken im Monat morgens aufzustehen?
Wie gesagt, es ist eine Lebenseinstellung. So habe ich einen geregelten Tagesablauf und eine Aufgabe im Leben. Zudem ist das Arbeitsklima im WinWohnen sehr gut und ich habe nette Leute kennengelernt, die für mich da sind.

* Name der Redaktion bekannt

Appenzell AusserrhodenAppenzell Ausserrhoden / 04.04.2007 - 08:04:00