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Märchenkönigin Trudi Gerster wird 90

Basel/St. Gallen. 70 Jahre später ist sie noch immer aktiv, aber zur «Märchenkönigin» gereift: Am Sonntag wird Trudy Gerster 90.

Ihre prägnante Stimme, mit der sie heute noch alle Nuancen von fein säuselnd über tierisch grunzend bis zu bedrohlich donnernd beherrscht, liess drei Generationen Schweizer und Schweizerinnen wohlig erschauern. Zusammen mit dem ihr eigenen getragenen Tempo, der deutlichen Betonung und dem St. Galler
Dialekt verleiht das ihrem Erzählen etwas Hypnotisches.

Nur einmal, auf der Expo.02, seien ihr drei Kinder aus einer Märchenstunde gelaufen, erinnerte sie sich später. Es stellte sich heraus: Die Kleinen verstanden kein Deutsch. Sie seien dann aber doch wiedergekommen, freute sich Gerster, einfach um ihr beim Erzählen zuzuschauen.

Intensiv-Ausbildung
Obwohl sie von Klein auf im Hinterhof für die Nachbarskinder Märchen-Audienzen hielt, war ihr der Aufstieg zur Schweizer Erzähl-Monarchin zunächst nicht vorgezeichnet. Die Mutter sah in ihr eine Schneiderin, sie selber erwog ein Theologiestudium, entschied sich aber dann für den Schauspielberuf.

Um sich den Unterricht leisten zu können, nahm sie besagten Märchenfee-Job auf der „Landi“ an. Der Erfolg war enorm. Dank Mundpropaganda drohte das Märlizelt schon bald aus den Nähten zu platzen. Die 19-jährige Elfe und das ihr an den Lippen hängende Gefolge mussten auf den grossen Spielplatz umziehen.
Das Honorar des Aushilfsjobs reichte dann doch nicht für eine mehrjährige Ausbildung. Also nahm Trudi Gerster Privatunterricht bei grossen deutschen Schauspielern, die der Krieg ins Schweizer Exil getrieben hatte. Nach einem Jahr bestand sie die eidgenössische Bühnenprüfung.

Mehr als bloss Performerin
Es folgte ein Festengagement am Stadttheater ihrer Heimatstadt St. Gallen, wo die zierliche junge Frau unter anderem 1941 als Walterli neben Heinrich Gretler auftrat. Dazu kamen Gastspiele vor allem in Schweizer Städten, aber auch in Deutschland und Österreich.

Da die Theater damals noch keine Spesen vergüteten, wie sie sich erinnert, blieb das Erzählen ihr Nebenverdienst – und machte sie vor allem dank dem Radio berühmt.

Nach der ersten Heirat 1948 und mit der Geburt der Kinder gab sie die Schauspielerei auf und konzentrierte sich aufs Erzählen, um in der Nähe der Familie sein zu können. Dabei las sie nicht nur, sondern sammelte, übersetzte und bearbeitete Geschichten aus aller Welt, von „Bambi“ über „Dschungelbuch“ bis zu „Gullivers Reisen“.

Politikerin
Als die Kinder schon grösser waren, startete Gerster 1968 eine dritte Karriere als Politikerin. Als eine der ersten Frauen wurde sie in ein schweizerisches Parlament gewählt, in den grossen Rat von Basel, der Stadt, wo sie seit ihrer Heirat wohnt. Bis 1980 setzte sie sich vor allem für Umwelt, Frauenrechte und
Kulturschaffende ein.

Sie sei wohl ihrer Prominenz wegen gewählt worden, mutmasste sie später. Aber es habe sie doch erstaunt, wie grossen Spass ihr das Politisieren gemacht habe. Nur dass ihre politischen Gegner gelegentlich mit dem Vorwurf des Märchenerzählens den Wind aus den Segeln zu nehmen versuchten, das habe sie
schon ziemlich genervt.

St.GallenSt.Gallen / 31.08.2009 - 16:24:01