
Stadtrat vergibt Werkbeiträge für Kulturschaffende
St. Gallen. Der Stadtrat vergibt auch 2009 sechs Werkbeiträge in der Höhe von je 10'000 Franken. Insgesamt wurden 37 Bewerbungen eingereicht.
21 Dossiers stammten aus dem Bereich Bildende Kunst, sieben aus dem Bereich Musik, vier aus dem Bereich Theater/Tanz, zwei aus dem Bereich Literatur und eines aus dem Bereich Film; zwei Projekte arbeiten spartenübergreifend.
Auf Empfehlung der Kommission für Kulturförderung, die mit der Jurierung beauftragt war, hat der Stadtrat die Beiträge folgenden St.Galler Kulturschaffenden zugesprochen:
Beni Bischof
Beni Bischof (geb. 1976) ist einer der zur Zeit aktivsten, umtriebigsten und produktivsten Künstler der jüngeren Generation in St.Gallen. Mit Enthusiasmus und unbändiger Lust, mit Neugier und grossem Schaffensdrang arbeitet er an unterschiedlichen Themen. Mit den Medien Zeichnung und Malerei entwickelt er überzeugende Serien, in denen Ausgrenzungs- und Transformationstechniken, Montage- und Assoziationsverfahren einen zentralen Ausgangspunkt bilden.
Oftmals angeregt von Bildern aus seinem persönlichen Archiv oder gezielt zusammengetragenen Materialien, entwickelt er eigene, merkwürdig fremde Umsetzungen, die in ihrer kompromisslosen Subjektivität beeindrucken. Klischees werden aufgebrochen, Bekanntes wird in Fremdes verwandelt. Dabei geraten die Zeiten durcheinander. Einmal wähnt man sich an mittelalterliche, mystisch alchemistische Illustrationen erinnert, ein andermal rocken wir wie Besessene durch die Gegenwart.
Einmal entzieht sich die Malerei der Lesbarkeit und lässt einem in surrealen Welten wandeln, ein andermal erzählt er einem alltägliche Geschichten, die in ihrer Banalität irritieren. In immer neuen Bildfindungen tauchen Versatzstücke aus seinem eigenwilligen Universum auf, prallen auf scheinbar belanglose öffentliche Bilder und katapultieren einem so durch Raum und Zeit.
Jan Buchholz
Der Filmer Jan Buchholz (geb. 1981) studiert an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Luzern. In seinen bisherigen Arbeiten hat sich Buchholz mit den Spuren der Bauentwicklung in St.Gallen und der Person und dem Werk des St.Galler Künstlers Hermann Reinfrank auseinandergesetzt.
In seinem neusten Projekt mit dem Arbeitstitel «Die Reisen meiner Kindheit» knüpft Jan Buchholz an seine schwierige Kindheit an. Schon als Kindergärtner war er immer wieder alleine im Zug unterwegs, um seine Mutter zu besuchen. Ausgehend vom Koordinatennetz, das seine Kindheit zeitlich wie örtlich prägte, will der Filmer diese Reisen zusammen mit einem Kameramann nochmals durchlaufen.
Im Zentrum steht nicht die Aufarbeitung der eigenen Geschichte, sondern die Reisen sind für Buchholz Ausgangspunkt für Begegnungen und Gespräche mit Passagieren, das Fahren durch den Raum, die Landschaft und die Erinnerungen. Das Ganze soll zu einem Filmtagebuch verschmelzen, das auch in Form einer Installation gezeigt werden kann. Seine längste Reise plant Jan Buchholz von Luzern über Österreich und den Balkan nach Israel, wo seine Mutter heute lebt.
Christoph Keller/Heinrich Kuhn
Christoph Keller (geb. 1963) und Heinrich Keller (geb. 1939) publizieren seit 1994 als sog. Autorenkollektiv unter dem Etikett Keller+Kuhn. Resultate ihrer bisherigen literarischen Zusammenarbeit sind drei Romane (1994, 1997, 2006) und eine grosse Zahl von Maag- und Minetti-Geschichten, eigentliche «Stadtge-schichten». Das jüngste Projekt des Schreibteams mit dem Titel «Instinkt» soll ein «psychologischer Thriller» nach klassischem englischen Muster werden.
Geplant und in Arbeit ist ein rund 330 Seiten breiter, dreiteiliger Roman mit der Hauptfigur Gradel (einem Informatikspezialisten), dem Gegenspieler Monsieur Gantz (einem Scharlatan), ihren beiden Frauen und einem Kind. Die Auszüge aus dem Textentwurf weist zwei absolute Könner aus.
Thomas Sonderegger
Thomas Sonderegger (geb. 1963) wirkt als äusserst versierter Gitarrist in unzähligen Projekten mit, von Klassik über Pop und Rock bis zu Flamenco und Lateinamerikanischer Musik. In den letzten Jahren hat sich Thomas Sonderegger vertieft mit der Flamenco-Musik und der Loop-Technologie (elektronisches Aufnehmen und Wiedergeben im Live-Kontext) auseinandergesetzt. Diese auf den ersten Blick recht unterschiedlichen Felder sind in den Kompositionen des Duo «Waldrand» (CD 2008 erschienen) eindrücklich zusammengeführt.
Thomas Sonderegger geht mit seiner Arbeit in diesem Feld konsequent in Richtung Musikalität: Im herkömmlichen Loop-Kontext geht es meistens darum, durch die Elektronik mit einem Instrument orchestrale Klänge zu erzeugen. Thomas Sonderegger arbeitet dagegen mit verschiedenen Instrumenten, vor allem Per-kussion, Gitarre und Effekten. Damit kreiert er ganze komplexe Songstrukturen und ist auf der Bühne nicht nur Komponist und Musiker, sondern auch Produzent und Tontechniker.
Die souveräne Organisation dieser Abläufe und damit verbunden die spezielle Kompositionstechnik verbindet er mit einem ausserordentlich hohen musikalischen Niveau. Dieser Fokus auf Qualität, sowohl auf der musikalischen wie auch auf der klanglichen Seite, zeichnen die Arbeit von Thomas Sonderegger aus.
Valentina Stieger
Valentina Stieger (geb. 1980) setzt sich auf eigenständige und neue Weise mit bekannten Medien auseinander. Zeichnung, Malerei und Fotografie werden durch den Einsatz ungewöhnlicher Materialien neu interpretiert. Das gilt sowohl für die formale wie für die inhaltliche Ebene. Die St.Galler Künstlerin setzt bei-spielsweise Glitter, Gardinen oder Lippenstift ein – und ein Fläschchen Nagellack ist ihr ein ideales «Künstler-Kit»: Der Pinsel ist im Deckel integriert, es ist handlich und in vielerlei aufreizenden Farbtönen zu haben. Gleichzeitig sind diese ursprünglich einem ganz anderen Verwendungszweck zugedachten Materialien nicht wertneutrales Gestaltungsmittel, sondern bergen in sich vielseitige Bedeutungsebenen, die sich jedoch nicht vordergründig aufdrängen, sondern erst auf der zweiten Ebene wahrnehmbar sind.
Valentina Stieger spielt auf subtile Weise mit der Symbolik alltäglicher Materialien und zugleich auch mit den künstlerischen Ausdrucksformen, Werten und Gattungen. So sind die Grenzen zwischen Malerei, Zeichnung und Installation ebenso fliessend wie zwischen etablierten Formen und unkonventionellen Präsentationen, zwischen hehrem Ausdruck und scheinbar absichtslos produzierter Ästhetik.
Andrea Vogel
Andrea Vogel (geb. 1974) entwickelt ihre Arbeiten konsequent durch die künstlerische Auseinandersetzung mit Vorgefundenem, seien dies Gegenstände, Raumsituationen oder Geschichten eines Ortes. Diese Auseinandersetzung manifes-tiert sich als Performance oder als Installation. Kleider, Accessoires und Wasser sind die hauptsächlich benutzten Werkmittel. Während sich Objekte in Rauminstallationen verdinglichen, werden Performances vor Publikum oder auch in der eigenen Wohnung für die Videokamera aufgeführt. Mit ihren frischen und unvermittelten Arbeiten, welche durch ihren experimentellen Ansatz bestechen, kreist Andrea Vogel um das stete Fortschreiten der Zeit und deren wundersamen Offenbarungen.
Ausgangspunkt für die nächste Arbeit von Andrea Vogel ist der Dachstock ihres Elternhauses im Bernbiet, welcher zu einem Wohnraum umgebaut werden soll. Dieser Dachstock, gefüllt mit Brennholz, Gefässen, Schach-teln, ausgedienten Möbelstücken und Krimskrams, war für die Künstlerin einst «s’Bühneli» – Spielwiese, Versteck und Geisterbahn in einem. Bevor nun diese Bühne der besonderen Art verschwinden wird, möchte Andrea Vogel diesen Ort als Kunstlabor nutzen, in dem Videoarbeiten, Installationen und ein Tagebuchreport entstehen und Aktionen vor Publikum stattfinden.