
Sozialamt bereitet sich auf mehr Fälle vor
Heiden/AR. Im Sozialamt hat die Arbeitsbelastung in den letzten Monaten stark zugenommen hat.
Dies geht vor allem auf zwei Ursachen zurück:
– Die Fälle werden von der rechtlichen Seite her immer komplexer. Deren Bearbeitung, vor allem, was die damit verbundenen juristischen Abklärungen betrifft, erfordert einen massiv steigenden Zeitaufwand.
– Die Klienten werden immer «rekursfreudiger». Immer öfter werden Verfügungen der Vormundschaftsbehörde mittels anwaltlicher Vertretung engefochten. Der damit verbundene juristische Schriftenverkehr ist mit einem massiven Zeitaufwand verbunden, auch wenn die Entscheide der Vormundschaftsbehörde später bestätigt werden.
– Die Rezession, in der wir uns befinden, wird mit einiger zeitlichen Verzögerung die Zahl der Sozialhilfe-Empfänger und die Kosten der Sozialhilfe stark ansteigen lassen. Erfahrungsgemäss noch stärker als die Fallzahlen steigen jeweils die Ausgaben für die Sozialhilfe. Es ist damit zu rechnen, dass Personen, die in der Hochkonjunktur noch einen – oft auch nur temporären – Arbeitsplatz finden konnten, diesen als Erste wieder verlieren werden. Diese Leute haben oftmals keine neuen Ansprüche an die Arbeitslosenversicherung und sind unmittelbar auf Sozialhilfeleistungen angewiesen.
Zudem dürften wiederum mehr gut qualifizierte Personen arbeitslos werden und mit einer zeitlichen Verzögerung Sozialhilfe beanspruchen. Seit dem 1. Januar 2009 wurden beim RAV Herisau 20 Neuanmeldungen aus Heiden registriert; seit November 2008 haben sich 37 Personen neu als arbeitslos gemeldet. Das Sozialamt muss sich darauf vorbereiten, eine stark steigende Zahl von Fällen bearbeiten zu können.
– Der Erwartungsdruck von seiten der Klient(inn)en steigt. Viele stellen sich unter Sozialhilfe einen höheren Betrag vor, als ihnen zusteht. In einzelnen Fällen entlädt sich aus Frustration ein zunehmend stärkeres Aggressionspotential.
Fast alle Fälle bedeuten Notsituationen
Das Sozialamt befasst sich zu 40 Prozent der Arbeitszeit ihres Leiters mit der eigentlichen Sozialhilfe. Im Durchschnitt sind immer etwa 29 Fälle in Bearbeitung. Pro Monat müssen zwei bis vier Fälle neu abgeklärt werden. Im Vormundschaftsbereich, der 65 Prozent der Arbeitszeit beansprucht, sind jedes Jahr rund 40 Fälle in Bearbeitung. Jedes Jahr müssen acht bis zehn Neuabklärungen vorgenommen werden. 10 Prozent der Arbeitszeit müssen für Kommissionsarbeit aufgewendet werden, d.h. für die Vor- und Nachbereitung der Kommissionssitzungen.
5 Prozent der Arbeitszeit entfallen auf die allgemeine Administration. Die Bearbeitung der Fälle erlaubt kaum je einen Aufschub, weil sich die meisten Leute, die um Sozialhilfe nachsuchen, wirklich in Notsituationen befinden. So hat sich das Ausmass der Überstunden unverantwortbar erhöht.
Wann ist eine Stellenplanerhöhung eine gebundene Ausgabe?
Bei der zusätzlichen 50 Prozent-Stelle im Sozialamt ist der Gemeinderat einer Vorgabe des Regierungsrates gefolgt: Dieser hat in seinem Entscheid zu einer Aufsichtsbeschwerde betreffend die über den Voranschlag 2009 geschaffene zusätzliche 50 Prozent-Stelle in der Abteilung Einwohneramt/Réception/Telefonzentrale festgehalten, bei dieser Stelle handle es sich um eine gebundene Ausgabe, da sie «zur Erfüllung der gesetzlich geordneten Verwaltungsaufgaben unbedingt erforderlich» sei. Im Detail schreibt der Regierungsrat: «Nach der Rechtssprechung des Bundesgerichts gelten Ausgaben dann als gebunden, wenn sie durch einen Rechtssatz prinzipiell und dem Umfang nach vorgeschrieben oder zur Erfüllung der gesetzlich geordneten» Verwaltungsaufgaben unbedingt erforderlich sind (Bundesgerichtsentscheid vom 23. Mai 2008, 1C_183/2008). Nach Art. 10 des Gemeindegesetzes (bGS 151.11) beschliesst der Gemeinderat über gebundene Ausgaben ohne Beschränkung.
Eine identische Regelung findet sich in Art. 29 Abs. 3 lit. a der Gemeindeordnung Heiden (nachfolgend GO Heiden). Nach Art. 18 Abs. 3 lit. h und i GO Heiden beaufsichtigt der Gemeinderat die Gemeindeverwaltung und beschliesst die Anstellungen des Gemeindepersonals. Der Gemeinderat hat folglich dafür zu sorgen, dass die Gemeindeverwaltung die ihr zugewiesenen Aufgaben erfüllt. Zeigt sich, dass mit den bestehenden Personalressourcen diese Aufgaben nicht mehr in adäquater Weise vorgenommen werden können, hat er – so z.B. durch Erhöhung der Stellenprozente – die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, um diesem Umstand Abhilfe zu schaffen.
Die Kommission Sozialhilfe und Vormundschaft hat dem Gemeinderat einstimmig den Antrag gestellt, für das Sozial- und Vormundschaftsamt dringend eine fachliche Stellenaufstockung von 50 Prozent zu bewilligen.
Fachlich einwandfreie Betreuung gewährleisten
Der Sinn und Zweck dieser Stellenaufstockung soll sein, dass der Leiter des Sozialamts in seiner täglichen Arbeit mehr Freiraum und Entlastung für die zunehmend zeitintensiven Fälle erhält. Nur mit dieser Massnahme kann eine professionelle Führung des Sozial- und Vormundschaftsamtes und eine fachlich einwandfreie Betreuung/Beratung der Klient(inn)en gewährleistet werden.
Der Gemeinderat hat – entsprechend dem Antrag der Sozialhilfe- und Vormundschaftskommission – für das Sozial- und Vormundschaftsamt eine fachliche Stellenaufstockung von 50 Prozent bewilligt. Bei diesem Entscheid stützt sich der Gemeinderat auf Art. 4 Abs. 1 lit. c des Finanzhaushaltgesetzes, wonach eine Ausgabe dann als gebunden gilt, wenn die Behörden insbesondere in Bezug auf ihren Umfang und den Zeitpunkt ihrer Vornahme keine erhebliche Handlungsfreiheit besitzen und sie zur Erfüllung der gesetzlich geordneten Verwaltungsaufgaben unbedingt erforderlich ist.