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Prävention von sexueller Gewalt an Kindern im Kanton Schwyz

1. Wortlaut des Postulats

Am 18. April 2022 haben Kantonsrätin Aurelia Imlig-Auf der Maur und drei Mitunterzeichnende folgendes Postulat eingereicht:

„Im vergangenen Jahr wurden schweizweit 1278 Kindsmissbrauchsfälle registriert, die Dunkelziffer ist um einiges höher. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass in der Schweiz 60’000 bis 100’000 Kinder von sexueller Gewalt betroffen sind, pro Schulklasse 1-2 Kinder. Jedes 4. Mädchen und jeder 8. Junge erlebt vor seinem 18. Altersjahr sexuelle Gewalt.

Sexuelle Übergriffe auf Kinder und Jugendliche stell en schwere Gewaltdeli kte dar, deren Melde- und Aufklärungsquote äusserst tief ist. Dies liegt in erster Linie daran, dass sexuelle Ausbeutung immer mit einem Macht- und Abhängigkeitsverhältnis und damit auch mit Schuld, Scham und Schweigen einhergeht. Täterinnen und Täter gehen strategisch und manipulativ vor: Sie suchen sich ihre Opfer gezielt aus und erschleichen sich über einen langen Zeitraum stufenweise das Vertrauen des Opfers. Tatpersonen kommen oftmals aus der Familie, aus der Nachbarschaft oder sind Teil von Freizeitvereinen, bzw. dem schulischen Umfeld der Kinder.

Da Kinder und Jugendliche die Manipulationsstrategien der Tatpersonen nicht durchschauen können, ist es ihnen nicht möglich, sich allein vor sexuellen Übergriff en zu schützen. Präventionsmassnahmen dürfen deshalb nicht in erster Linie bei den möglichen Opfern ansetzen, sondern müssen die Erwachsenen, die aufgrund der mächtigeren Position für die Beziehungsgestaltung verantwortlich sind, in die Pfli cht nehmen. Um Präventionsarbeit umfassend greifen zu lassen, braucht es eine institutionelle Verankerung von schützenden Strukturen und Prozessen. Aus kantonaler Sicht stehen in diesem Zusammenhang die Etablierung von Strukturen in Kindergärten, Schulen und Einrichtungen der schulischen Betreuung im Vordergrund.

Im Kanton Schwyz besteht Handlungsbedarf. Obwohl sehr gute Angebote im präventiven Bereich existieren, scheitern diese häufig an den Kosten.

Um sexuell e Übergriffe im schulischen Alltag zu erschweren oder frühzeitig zu stoppen und gleichzeitig Kindern, die im schuli schen oder privaten Umfeld Opfer von Grenzverletzungen oder sexualisierter Gewalt werden, Unterstützung zu bieten, ist eine Erarbeitung von ganzheitli chen Schutzkonzepten notwendig, die folgende Punkte beinhalten:

  1. Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern über Gefahren der sexuellen Gewalt an Kindern angemessen aufklären und sensibili sieren.
  2. 2Alle Angebote und sämtliche Anlaufs- und Beratungsstellen im Kanton Schwyz als solche bezeichnen und diese in geeigneter Weise bekannt machen.
  3. Altersgerechtes Informationsmaterial zum Thema sexuelle Gewalt an Kindern erarbeiten und/oder zur Verfügung stellen, so dass sämtliche Kindergärten und Primarschulen im Kanton ihre Schülerinnen und Schüler obligatorisch sowie deren Eltern angemessen aufklären und sensibili sieren können.
  4. Kinder und Jugendliche in Abwehrstrategien stärken und ihre Selbstkompetenz erhöhen.
  5. Lehrpersonen, Schulsozialarbeiter und Betreuungspersonen schulen, wie sie einen sexuellen Übergriff an einem Kind erkennen und bei welchen Stellen eine Meldung erfolgen soll.
  6. Gemäss einem Bundesbericht (NZZ vom 4. Juni 2021, S.17) gibt es in der Schweiz grosse Lücken im Bereich der Präventionsangebote für Pädosexualität. Neben einer harten Bestrafung von Tätern sollen auch präventive Ansätze im Bereich der potenziellen Täterschaft weiterverfolgt werden. Sie sollen Menschen mit pädosexuellen Neigungen aufzeigen, wie sie mit ihrer Veranlagung umgehen können, ohne Kinder zu gefährden und Straftaten zu begehen. In den Kantonen Bern, Solothurn und Zürich wurde ein entsprechendes Präventionsangebot geschaffen.

Der Regierungsrat wird gebeten zu prüfen, wie ein solches Angebot auch im Kanton Schwyz geschaffen werden könnte.

Vor allem aber fordern wir den Regierungsrat auf, geeignete Massnahmen zu ergreifen, um die Prävention im Bereich sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen durch die Verankerung von obligatorischen Schutzkonzepten in Schulen und Einrichtungen der schulischen Betreuung zu stärken.“

2. Antwort des Regierungsrates

2.1 Allgemeine Bemerkungen

Sexuelle Übergriffe an Kindern finden in verschiedenen Kontexten statt. In 80–85 % der Fälle stammt der Täter oder die Täterin aus dem sozialen Umfeld des Kindes, weshalb eine Aufklärung schwierig ist. Gemäss Kinderschutz Schweiz sind die meisten Kinder zu Beginn der Übergriff e zwischen 6–12 Jahre alt. Die Übergriffe können in der Schule stattfinden, in der Famili e oder im Freizeitbereich. Um eine wirksame Prävention zu betreiben, muss in allen Bereichen angesetzt werden.

Zudem überschneiden sich die Setti ngs, z. B. sind schulische Betreuungsangebote nicht immer durch die Schule organisiert und Vereinstätigkeiten können durchaus auch auf einem Schulareal stattfi nden. Weiter können die Schulen die Sensibili sierung und Aufklärung der Erziehungsberechtigten nur teilweise abdecken, da dies kein Auftrag der Schule ist.

Die interdepartementale Zusammenarbeit zwischen dem Amt für Volksschulen und Sport (AVS) und dem Amt für Gesundheit und Soziales (AGS) ist hier von grosser Bedeutung.

2.2 Situationsanalyse

Gemäss Lehrplan 21 erwerben Schüler im Laufe ihrer Schulzeit folgende Kompetenzen:

  • Können eigene Gefühle wahrnehmen und situationsangemessen ausdrücken.
  • Können unangenehme und ungewollte Handlungen an ihrem Körper benennen und sich dagegen abgrenzen.
  • Können sexuelle Übergriffe und sexuelle Gewalt erkennen, wissen, wie sie sich dagegen wehren und wo sie sich Hilfe holen können.

Die Aufklärung und das Sensibilisieren im Kontext sexueller Gewalt ist also Bestandteil des Lehrplans 21. Dementsprechend thematisieren Lehrpersonen diese Thematik mit ihren Schülern. Die Schulen stärken die Kinder und Jugendlichen in Abwehrstrategien und der Erhöhung ihrer Selbstkompetenz gemäss Lehrplan 21.

Es existiert Informationsmaterial für die verschiedenen Schulstufen, um die Thematik der sexuellen Gewalt an Kindern altersgerecht aufzugreifen. Die Schulen setzen ihren Auftrag gemäss Lehrplan 21 um, in der konkreten Umsetzung sind sie frei. Für Erziehungsberechtigte existiert zu dieser Thematik ebenfalls Informationsmaterial zur Aufklärung und Sensibili sierung. Den einzelnen Schulen oder Lehrpersonen steht es frei, dies selber abzudecken oder externe Fachpersonen beizuziehen.

Die Schulen können externe Präventionsprogramme, wie z. B. das Präventionstheater „Stopp! Ich gah’s go sägä.“ für den Kindergarten und den Präventionsparcours „Mein Körper gehört mir“ für die Primarstufe in Anspruch nehmen. Das kantonale Netzwerk Gesunde Schulen beteiligt sich an der Finanzierung dieser Angebote. Bei jeder Durchführung finden Eltern- und Lehrpersonenveranstaltungen verpflichtend statt und entsprechendes Informationsmaterial wird zugestellt.

Auch für Schulen, welche kein externes Präventionsangebot buchen, stehen Angebote und Informationsmaterial für die Aufklärung und Sensibilisierung der Erziehungsberechtigten zur Verfügung. Eine Verpflichtung, Erziehungsberechtigte aufzuklären und zu sensibilisieren, besteht zurzeit keine.

Das kantonale Netzwerk Gesunde Schulen als gemeinsames Angebot des AVS und AGS informiert die Schulen über bestehende Präventionsangebote. Eine Übersicht der Angebote findet sich auf der Webseite www.gesunde-schulen-schwyz.ch und auf der Kantonswebseite unter Abteilung Schulentwicklung und -betrieb. Das Netzwerk unterstützt die Durchführung von bewährten Präventionsprogrammen finanziell und in der Organisation. Die Durchführung solcher Angebote ist für die Schulen freiwilli g. Nach Kenntnissen des kantonalen Netzwerks Gesunde Schulen nehmen aktuell 20 Kindergärten und 7 Primarschulen ein entsprechendes externes Präventionsangebot in Anspruch.

Wichtige Inhalte zum Kinderschutz und Beratungsangebote sind in der Broschüre „Kinderschutz“ des AVS aufgeführt. Weitere Informationen zu Angeboten und Beratung finden sich auf der Webseite von „gesundheit schwyz“, welche den kantonalen Auftrag als Kontaktstelle für niederschwellige Beratung bei Verdacht auf sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen hat.

Der Kanton Schwyz betreibt ferner die Interdepartementale Koordinationsgruppe (IDKG) Krisenintervention. Diese sensibilisiert die Schulleitungen im Kanton Schwyz für das Thema Krisenintervention, macht Empfehlungen hinsichtlich der Erstellung von Kriseninterventionskonzepten und sorgt für einen regelmässigen Informationsaustausch der Krisenverantwortlichen. Sie unterstützt die Schulen durch die Organisation periodischer Zusammenkünfte in ihrer Präventionsarbeit sowie bei der Weiterentwicklung und Optimierung der Interventionskonzepte. In jedem Fall verbleibt jedoch die operative Verantwortung für Einsätze im Ernstfall bei der zuständigen Schulbehörde.

Alle Schulen im Kanton Schwyz sind verpflichtet, einen Krisenordner zu führen, der sich am kantonalen Musterordner „Krisenintervention“ orientieren soll. Darin wird auch das Vorgehen bei Verdachtsfällen von sexueller Gewalt definiert.

Dem Thema der sexuellen Übergriffe wurde in den Schulen vor etwa 15 Jahren viel Aufmerksamkeit zuteil. In der Folge wurden Weiterbildungen angeboten und besucht, so dass seit einiger Zeit Wissen und Erfahrung im Kinderschutz vorhanden sind. Die Schulleitungen und die Schulsozialarbeit sind dadurch sensibilisiert, wie mit Verdachtsfällen umgegangen werden soll und wo Unterstützung eingefordert werden kann. Denn für das Erkennen eines Übergriffes und für ein weiteres Vorgehenbraucht es den Beizug von Fachstellen. Die Schulsozialarbeit nimmt in der niederschwelligen Unterstützung bei Fragen zu sexuellen Übergriffen eine wichtige Aufgabe wahr. Allerdings besteht das Angebot der Schulsozialarbeit nicht flächendeckend. Bei weiterführenden Fragen oder Unsicherheiten kann die Abteilung Schulpsychologie (ASP) beratend beigezogen werden. Die Mitarbeitenden der ASP sind in diesem Bereich ausgebildet. Als wichtige Anlaufstelle ist selbstverständlich die Opferberatungsstelle zu erwähnen.

2.3 Fazit und Haltung des Regierungsrates

In den Schulen werden die Schüler grundsätzlich in ihrem Selbstwert und in ihrer Selbstkompetenz über die ganze Schulzeit gestärkt. Dies ist für die Prävention zentral. Die spezifi sche Prävention im Bereich des sexuellen Missbrauchs ist im Rahmen des Lehrplans 21 festgelegt und gehört damit zum Auftrag der Schule. Für die Umsetzung dieses Auftrages stehen den Schulen umfassend Material und Angebote zur Verfügung.

In der Schule und im Speziellen bei den Schulleitungen sowie in der Schulsozialarbeit weiss man somit, wie bei einem Verdacht auf sexuellen Missbrauch vorzugehen ist. Zudem besteht jederzeit die Möglichkeit des Beizugs externer Fachpersonen. Das Postulat P 3/22 ist folglich nicht erheblich zu erklären.

Beschluss des Regierungsrates

  1. Dem Kantonsrat wird beantragt, das Postulat P 3/22 nicht erheblich zu erklären.
  2. Zustellung: Mitglieder des Kantonsrates.
  3. Zustellung elektronisch: Mitglieder des Regierungsrates; Staatsschreiber; Sekretariat des Kantonsrates; Departement des Innern; Bildungsdepartement; Amt für Volksschulen und Sport.

 

Quelle: Regierungsrat des Kantons Schwyz
Titelbild: Symbolbild © Vector Tradition – shutterstock.com

Polizeinews / 29.09.2022 - 14:01:26