• Aargau
  • Appenzell Ausserrhoden
  • Appenzell Innerrhoden
  • Basel-Landschaft
  • Basel-Stadt
  • Bern
  • Freiburg
  • Genf
  • Glarus
  • Graubünden
  • Jura
  • Luzern
  • Neuenburg
  • Nidwalden
  • Obwalden
  • Schaffhausen
  • Schwyz
  • Solothurn
  • St.Gallen
  • Stadt Winterthur
  • Stadt Zürich
  • Tessin
  • Thurgau
  • Uri
  • Waadt
  • Wallis
  • Zug
  • Zürich

«Man wird sicher noch mehr von mir zu hören bekommen»

Rorschach. Seit fünf Jahren ist er Stadtpräsident von Rorschach, seit 2006 CVP-Nationalrat. Diese beiden Ämter stellen für Thomas Müller die ideale Kombination dar, um in der Region St.Gallen-Rorschach etwas bewirken zu können.

Thomas Müller, hatten Sie diesen Sommer eigentlich auch Ferien?
Nein, es war relativ hektisch. Die viele Arbeit hat aber den Vorteil, dass man weniger Zeit zum essen hat und dadurch etwas abnimmt.

Während der Session in Bern gehören die Mittag- und Abendessen jedoch sicherlich zum Politalltag.
Das ist so. Viele Gespräch und Termine werden mit einem Essen kombiniert. Und praktisch alle wollen ins «Bellevue». Spätestens nach zwei Wochen freut man sich dann, wieder einmal einen einfachen Wurstsalat zu essen.

Sie sind nun zwei Jahre in Bern dabei. Ist es einfach, die berufliche Tätigkeit und das Amt im Nationalrat unter einen Hut zu bringen?
Es ist absolut machbar. Denken Sie an meinen Bieler Kollegen Hans Stöckli oder aber auch an den Thurgauer Unternehmer Peter Spuhler. Es entsteht eine ganze Reihe Synergien zu Gunsten der Stadt. Die Veränderungen, die wir in Rorschach erzielen konnten, sind überwiegend auf ein gutes Netzwerk zurück zu führen. Und durch den Nationalrat konnte ich das Netzwerk natürlich erweitern.

Die Kombination beider Ämter ist also durchaus nicht kontraproduktiv, wie es teilweise behauptet wird?
Nein, im Gegenteil. Die Region profitiert davon. Ich gehe ja als Vertreter dieser Region nach Bern und bin dort auch nur in jenen Kommissionen, in denen ich etwas für unseren Standort bewirken kann.

Kommen wir zuerst auf Ihre Tätigkeit als Nationalrat zu sprechen. Man hat den Eindruck, dass Sie sich dort noch etwas zurückhalten. Täuscht das?
Derzeit ist das Amt vor allem ein Türöffner und nützlich für die Region St.Gallen-Rorschach. Sehr vieles kann man direkt in Bern besprechen und gelangt so innert kürzester Zeit zu einer Lösung. Sobald ich für Rorschach die wichtigsten Projekte unter Dach und Fach gebracht habe, werde ich national etwas nach vorne preschen.

Das müssen Sie ja auch um die anderen Wähler zu erreichen. Sie wurden ja nicht nur von Rorschachern gewählt.
Vollkommen klar. Man wird sicher noch mehr von mir zu hören bekommen. Allerdings erst im nächsten Jahr. Ich habe eine grössere Legitimation nationale Politik zu betreiben, wenn ich zuhause einen guten Job mache. Im Übrigen sind nicht unbedingt jene Politiker die einflussreichsten, die man am meisten am Rednerpult sieht.

Die letzte Session wurde in den Medien vor allem aufgrund der «Streitereien» behandelt. Man bekommt fast den Eindruck als würde es in Bern wie im Dschungel zu und her gehen.
Man muss klar zwischen den Vorkommnissen im Ratsaal und jenen in der Wandelhalle unterscheiden. Es kommt nicht selten vor, dass zwei Politiker, die sich im Saal hitzige, für die Medien interessante, Debatten liefern, anschliessend gemeinsam Kaffee trinken. Das ist Teil des Geschäfts. Die Debatten dienen meiste nur noch dazu, Entscheide transparenter zu machen. Bewirken kann man dort nicht mehr viel. Spannend ist jeweils nur noch, ob das was man abgesprochen hat, auch eintrifft, oder ob es Abweichler gibt.

Also war beispielsweise auch die Rückweisung des Rüstungsprogramms schon Tage voraus beschlossene Sache?
Das wusste man schon mehrere Wochen vor der Session. Bundesrat Schmid hätte auch drei Stunden referieren können. Eine Wende hätte er dennoch nicht erreicht.

Aber für die Medien ist es natürlich sehr nützlich.
Der Publizist Frank A. Meyer sagte einmal «Früher wollten die Leute in den Himmel kommen, heute in die Medien». Und genau das ist in Bern sehr gut spürbar. Es gibt Personen, die einem Kabel so lange nachgehen, bis sie am Mikrophon angelangt sind.

Haben Sie weitere politische Ambitionen?
Nein. Man muss das realistisch sehen: Um in Bern einen Schritt weiter zu kommen benötigt man das richtige Alter, die richtige Partei und muss aus der richtigen Region stammen. Die Frage tauchte ja auch bei den Regierungsratswahlen auf, als man die Kandidaten Lucrezia Meier-Schatz und Armin Eugster ausgewechselt hat. Damals einzuspringen kam für mich überhaupt nicht in Frage. Es gibt in Rorschach noch sehr viel zu verwirklichen, und daran will ich arbeiten. Das Verkehrsproblem muss gelöst werden. Wir wollen die Fusion mit Rorschacherberg vorantreiben. Und steuerlich wollen wir den Sprung unter die 10 bis 15 besten Gemeinden des Kantons schaffen.

Die Ansiedlung der Firma Würth dürfte den ganzen Prozess vorantreiben. Wird Rorschach damit auf einen Schlag in eine höhere Liga katapultiert?
Ob es gerade einen Ligawechsel bedeutet, weiss ich nicht. Aber es bringt uns natürlich deutlich weiter. Es bedeutet für Rorschach etappenweise bis zu 500 zusätzliche Arbeitsplätze. Das ist für uns ein beachtlicher Wachstumsschub.

Kann man sagen, wie sich das finanziell auswirken wird?
Nein, das kann man im Moment noch nicht genau berechnen. 

Ist Ihnen das Glück quasi in den Schoss gefallen oder war eine klare Strategie ausschlaggebend?
Mit Glück hat das gar nichts zu tun. Es ist einerseits das erwähnte Netzwerk entscheidend und andererseits der Wille zur Veränderung. Man muss an jene Leute herankommen, die wirtschaftlich in der Lage sind, solche Veränderungen mit zu tragen. Ich bin seit dem 1. Oktober 2003 Stadtpräsident von Rorschach. In diesen fünf Jahren haben wir durch Planungen die Grundlagen für die Entwicklung geschaffen, die nun stattfindet. Das Ganze hat etwas länger gedauert, als ich gedacht habe. Aber man muss sich eines vor Augen führen: Dem Standort Rorschach schenkte man lange Zeit kein Vertrauen mehr. Von 1964 bis 2004 sank die Einwohnerzahl von 13’370 auf 8380. Inzwischen sind wir immerhin wieder auf rund 8800.

Ein Verlust von 40 Prozent der Einwohner bedeutet auch massive finanzielle Einbussen.
Ja, die Finanzen gerieten ins Wanken. Um die Trendwende zu schaffen, um wieder eine funktionierende Kleinstadt zu werden, benötigen wir mehr Einwohner und mehr Arbeitsplätze.

Die Arbeitplätze liefert Ihnen Würth, die Einwohner allenfalls die geplanten Hochhäuser.
Sie sprechen die Abstimmung über den Teilzonenplan «Hochhäuser im Stadtwald» an. Wir haben dort bewusst an den Stärken von Rorschach angeknüpft. Und unsere grösste Stärke ist ganz klar die Seesicht. Es entstehen rund 150 bis 170 Wohnungen, was für Rorschach einen beträchtlichen Einwohnerzuwachs bedeuten könnte.

Fiebern Sie der Abstimmung am 30. November entgegen?
Jene die Rorschach wirklich weiter bringen wollen, müssen dieser Umzonung ganz klar zustimmen. Nein-Sager gibt es natürlich immer. Interessant ist, dass viele dieser Nein-Sager aber auch die schlechte Entwicklung von Rorschach kritisieren.

Führt die «Würth»-Ansiedlung zu einem Dominoeffekt?
Ich hatte in den fünf Jahren zahlreiche Bespechungen mit potenziellen Investoren und wollte sie für den Standort Rorschach begeistern. Der Tenor war meist derselbe: Gute Lage, schlechte Entwicklung, kein Thema. Seit die Ansiedlung von Würth am 10. September bekannt gegeben wurde hatte ich zwei Anfragen von institutionellen Anlegern, die sich für den Erwerb von Grundstücken interessierten.

Steht Rorschach am Beginn einer Entwicklung zu einer neuen Identität?
Durchaus. Man merkt, dass sich etwas bewegt. Kürzlich meinte jemand, in Rorschach gehe «die Post ab». Es gibt aber noch Entwicklungspotenzial. Wir sind mit 1.7 Quadratkilometern die kleinste Gemeinde des Kantons. Ungenutzte Flächen können bebaut und bestehende Objekte abgebrochen werden. Wir wollen jene Baulücken, die zum Teil seit fast 30 Jahren bestehen, wieder füllen. Dabei lasse ich mich von der einfachen Formel «Steuern pro Quadratmeter» leiten. Man muss also auch einmal zu einem Projekt nein sagen können, auch wenn es im ersten Moment verlockend tönt. Der längerfristigen Entwicklung der Stadt wäre es nicht dienlich. Man verbaut sich zu viel und der Rücklauf wäre zu gering.

Am 30. November findet auch die Grundsatzabstimmung zur Fusion mit Rorschacherberg statt. Ein wichtiger Punkt für die künftige Entwicklung?
Die Schweiz wird sich in Zukunft um die grossen Städte herum entwickeln. Wenn sich eine Region behaupten will, beispielsweise im Agglomerationsprogramm von Bund oder Kanton, dann muss sie sich entsprechend positionieren. Das bedeutet, dass man eine gewisse Grösse haben muss. Als Kleinstadt verschafft man sich sicher mehr Gehör denn als Gruppe von mehreren mittleren Gemeinden. Ein Bespiel: Wie soll man die SBB für eine IC-Haltestelle in Rorschach begeistern, wenn dort die Verantwortlichen sehen, dass wir nur 8800 Einwohner haben? Das kann man gleich vergessen.

Eigentlich ist Rorschach damit ja nicht einmal mehr eine Stadt.
Ob mit oder ohne Fusion ist für uns klar: Auf unseren 1.7 Quadratkilometern wollen wir wieder eine Anzahl von 10000 Einwohnern erreichen.

Dereinst war auch von einer Fusion mit Goldach die Rede.
Das würde sicher Sinn machen. Es wäre jedoch zu komplex alles in einem Paket zu vereinen. Es ist sinnvoller, in mehreren Schritten daraufhin zu arbeiten. Das ist die Kunst der Politik: Das Machbare möglich zu machen und nicht immer auf noch bessere Chancen zu warten.

War das in der Vergangenheit ein Problem von Rorschach?
Leider ja. Nicht selten hatte der Stadtrat eine gute und ein Einwohner eine noch bessere Idee. Schliesslich stritten dann der «Gute» und der «Bessere» so lange, bis gar nichts verwirklicht wurde. Vom Sport lernte ich, dass man Glück und Erfolg auch erzwingen kann.

Kann man das wirklich?
Ja das geht. Man muss an etwas glauben und nicht locker lassen. Vor allem sollte man nicht von Beginn an über eine mögliche Niederlage nachdenken. Der Satz, dass der Match erst mit dem Schlusspfiff vorbei ist, hat auch in der Politik und in der Wirtschaft seine Gültigkeit. Man muss immer bis zur letzten Minute gehen.

Und sich laufend verbessern.
Es ist erstaunlich, wie viel man in einer solchen Stadt bewegen kann. Dadurch verliert man auch nie die Lust an seiner Tätigkeit. Das wichtigste Zeichen setzen die Rorschacher Stimmbürger 2004 mit der Abschaffung des Parlaments – und das nach 95 Jahren. Das war keine Selbstverständlichkeit. Man sprach sich klar für ein Weiterkommen und gegen die Parteipolitik aus. Das hat vieles erleichtert, die Wege wurden kürzer. Wir haben auch unsere Verwaltung reorganisiert. Die Abläufe sind heute wie in einem mittleren Unternehmen. Und diese Organisation schafft auch die Möglichkeiten für mich, an die Front zu gehen. Würde ich nur im Büro sitzen, Rechnungen visieren und Briefe diktieren, wäre ich zwar ein guter Verwalter, könnte aber nichts bewirken.

Hat sich das Image von Rorschach denn schon verbessert?
Ich glaube schon. Diese Feedbacks erhalte ich jedenfalls von aussen. Man merkt, dass wir da sind, dass wir im Aufbruch sind.

St.GallenSt.Gallen / 09.12.2008 - 15:12:34