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Kultur im 3Eidgenossen

Appenzell. Bänz Friedli, der Hausmann und Kolumnist fürs «Migros-Magazin» und «20 Minuten» liest aus seinen Texten.

Lesung im Kulturlokal 3Eidgenossen, Appenzell
Freitag, 19. September 2008, 20 Uhr


Hier ein das Vorwort aus seinem Buch «Der Hausmann»

Nur, damit das klar ist
Darf man das? Das eigene Familienleben in der Öffentlichkeit ausbreiten? Nachdem ich meinen ersten Text fürs «Migros-Magazin» abgeliefert hatte, lag ich bang wach. Sollte unser Alltag wirklich zur Soap Opera für zweieinhalb Millionen Leserinnen und Leser werden? Ich wusste, die Druckmaschinen waren angerollt – es gab kein Zurück. Zwar hatte ich seit 1985 Hunderte Kolumnen geschrieben, doch darin gab ich selten Privates preis. Zuletzt hatte ich für «20 Minuten» fremde Sonderlinge beobachtet, die sich in Trams und S-Bahnen tummeln. Und jetzt meine Familie. «Himmel, darf ich das?», fragte ich mich in jener Nacht und am nächsten Tag. Am übernächsten hat Nick Auf der Maur mich gerettet: Das Buch «Nick: A Montreal Life» fiel mir in die Hände.

Nick Auf der Maur? Ich werde Ihnen gleich erklären, wer er war. Seine Eltern verliessen Schwyz 1929 Richtung Kanada, weil sie hier als Käser kein Auskommen hatten. Sohn Nick wurde in Montreal zum Stadtoriginal, als Politiker, der zu unabhängig dachte, um über längere Frist einer Partei angehören zu können, als furchtloser Journalist und als Autor von Kolumnen für den «Montreal Star» und die «Montreal Gazette». Dem Kolumnisten Auf der Maur war nichts heilig. Zuletzt kommentierte er die eigene Krebserkrankung sarkastisch: «Kurt Cobain had a shotgun, and I had cigarettes.» Nach seinem Tod wurde eine Strasse nach ihm benannt, seine 100-jährige Mutter Theresia und seine Tochter Melissa enthüllten das Schild. Ihr habe ich gemailt. Wie sie sich denn gefühlt habe als Kind, wollte ich wissen, wenn in der Zeitung gestanden habe, was zu Hause geschehen war. Melissa Auf der Maur ist nicht nur eine bezaubernde Musikerin, sondern auch ein grossartiger Mensch. Ihre Antwort hat mich ermutigt: «Mein Vater hatte seine ganz eigene Art, mir seine Zuneigung und sein Einverständnis zu zeigen und mir zu versichern, dass er mich in allem unterstützte, was ich unternahm. Er tat es in seinen Kolumnen. Manchmal war es mir in der Schule schon unangenehm, aber im Grund wusste ich stets: Es ging nur ihn und mich etwas an. Aus jeder Kolumne spürte ich seine Liebe heraus, und ich fand die Texte immer sehr lustig. Mach dir also keine Sorgen, geniess die Zeit mit deinen Kindern! Melissa.»

Nick Auf der Maur (1942–1998), den ich leider nicht gekannt habe, wurde mir so zur Leitfigur. Denn ich teile sein angelsächsisches Verständnis der Kolumne: Sie darf persönliche Ansichten vertreten, sie soll den Alltag reportieren, soll die kleine Welt schildern, um die grosse zu deuten, doch sie bleibt stets eine journalistische Disziplin. Also muss sie wahrheitsgetreu sein. Wenn es denn Slam Poetry gibt, dann ist dies viel- leicht Slam Journalism. Aber auch als Hausmann bleibe ich Journalist: Erfinden geht nicht. Jetzt kommt in der Stadt halt manchmal ein Grosi auf uns zu, schaut mich an, dann Hans, und sagt – was er nicht so lustig findet – zu ihm: «Dänn bisch du also d Anna Luna.» Er trägt drum die Haare ein bisschen lang. So lang wie dem Kaspar seine sollen sie werden, aber das ist eine andere Geschichte.

Oft werde ich gefragt: «Aber, gäu, der Seich, den du schreibst, stimmt nicht?» Doch, der Seich stimmt, das ist ja das Wahnsinnige. Alles, was in diesem Buch steht, ist wahr. Aber nicht alles, was wahr ist, steht in diesem Buch. Die heiligen Familienmomente behalten wir für uns. Das darf man.

Appenzell InnerrhodenAppenzell Innerrhoden / 12.08.2008 - 15:11:00