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Kapo Bern: Wenn wir die Todesnachricht überbringen müssen

Dieser Moment, wenn ich vor der Tür einer Wohnung stehe, meine Uniform nochmals auf ihre Korrektheit überprüfe. Ich bin so gut vorbereitet, wie es geht, und dennoch scheint die Situation unkontrollierbar.

Ich atme nochmals durch und unterdrücke den Gedanken, dass mein Klingeln an der Tür das Leben eines oder mehrerer Menschen unweigerlich verändert, von der einen Sekunde auf die nächste.

Als Polizistinnen und Polizisten müssen wir immer wieder Todesnachrichten überbringen. Manchmal sind wir bereits beim Geschehnis vor Ort, das zum Versterben geführt hat, zum Beispiel bei einem Unfall oder einem Suizid. Es kommt aber auch vor, dass wir lediglich den Auftrag erhalten, die traurige Nachricht den Angehörigen zu überbringen.

Die Aufgabe, Angehörige über einen Todesfall zu informieren, ist eine sehr emotionale Tätigkeit und wird für mich persönlich wohl immer eine der schwierigsten Herausforderungen meines Berufslebens bleiben.

Gratwanderung zwischen Empathie und Professionalität

Die Auseinandersetzung mit dem Thema Sterben und Tod beginnt bereits an der Interkantonalen Polizeischule Hitzkirch (LU). Im Fach Polizeipsychologie wird unter anderem genau diese Aufgabe spezifisch geschult. Was ist zu beachten? Welches sind die Schwierigkeiten? Wie gehe ich persönlich mit dem Thema um?

Wenn wir den Auftrag erhalten, beschaffen wir uns als Erstes so viele Informationen wie möglich, sodass wir den Angehörigen später möglichst viele Fragen beantworten können. Auch die eigene emotionale Vorbereitung gehört für mich unweigerlich dazu. Fühle ich mich momentan in der Lage, diese Nachricht zu überbringen? Wenn ich mir aus irgendeinem Grund nicht zutraue, den Auftrag auszuführen, ist es keine Schande, diesen abzugeben. Schliesslich haben die Angehörigen in dieser schwierigen Situation das Anrecht auf eine professionelle Betreuung.

„Ich muss Ihnen leider mitteilen, …“

Da ist er nun, der eingangs erwähnte Moment, in dem wir den Angehörigen in die Augen sehen. Es braucht immer eine gewisse innere Überwindung, die Nachricht zu überbringen. Jedes Mal spüre ich den trockenen Mund, bevor ich die Worte „Ich muss Ihnen leider mitteilen, …“ sage. Wer teilt schon gerne jemandem mit – Elternteil, Ehepartner, Schwester, Bruder oder gar Kindern –, dass ein geliebter Mensch nicht mehr nach Hause kommt, nicht mehr lebt. Am schwierigsten ist es, wenn Kinder involviert sind.

Ich sehe es als meine Aufgabe an, den Angehörigen diese traurige Nachricht mit grossem Respekt zu überbringen und im schlimmsten Moment als Stütze für sie da zu sein. Die Reaktionen der Angehörigen sind unvorstellbar individuell. Es kommt vor, dass in der überwältigenden Situation die unterschiedlichen Gefühle auch an uns ausgelassen werden. Ich habe in solchen Momenten grosses Verständnis für die Angehörigen und kann auch Angriffe auf mich absolut verstehen.

Das Überbringen der Todesnachricht fühlt sich oft wie eine persönliche Gratwanderung an. Auf der einen Seite habe ich meine eigenen Gedanken und Gefühle, die ich teilweise kontrolliere. Auf der anderen Seite befinde ich mich in meinem Auftrag, der von mir eine gewisse Vorgehensweise und das Erfüllen einer Erwartungshaltung verlangt. Die Schwierigkeit ist dabei, die Balance zwischen den beiden Seiten zu finden, sodass ich trotz der Aufgabe auch ich selbst sein darf. Denn nur wer sich selbst sein kann, wirkt meiner Meinung nach beim Gegenüber echt. Und Echtheit haben die Angehörigen verdient.

Wann ist unsere Aufgabe erledigt? Was kommt danach?

„Wo das Licht des Lebens erlischt, bleibt die Trauer.“ Ich gehe erst mit gutem Gefühl vom Überbringen einer Todesnachricht weg, wenn die Angehörigen alle relevanten Informationen von mir erhalten haben. Ich stelle sicher, dass eine gewünschte Bezugsperson kontaktiert werden konnte und die Angehörigen persönlich betreut sind. Meist sind dies nahe Verwandte, Freundinnen oder Freunde, Bekannte. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, das Care Team des Kantons Bern als geschulte und fachkompetente Unterstützung beizuziehen. Alles geschieht selbstverständlich in Absprache mit den Angehörigen, die Entscheidungskompetenz liegt schliesslich bei ihnen.

Wenn ich an der Interkantonalen Polizeischule Hitzkirch (LU) die angehenden Polizistinnen und Polizisten zum Thema Überbringen einer Todesnachricht unterrichte, ist für mich der Aspekt der Nachbearbeitung ebenso zentral wie das Überbringen selbst.

Der Aspekt der Nachbearbeitung beinhaltet in meinen Augen auch, dass ich nach dem Einsatz auf mich achte. Eigene Bedürfnisse haben hier ihren Platz und ich pflege meine physische und psychische Gesundheit. Schliesslich sind auch Polizistinnen und Polizisten Menschen. Es wäre nicht menschlich, wenn wir uns im Nachgang nicht noch Gedanken zu einem solchen Erlebnis machen würden.

 

Quelle: Blog der Kapo Bern
Bildquelle: Blog der Kapo Bern

+Instagram-CH / 22.09.2022 - 08:58:47