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Der Wolfsjäger

Ein Mann aus Appenzell will den Wolf erlegen. Natürlich nicht höchstpersönlich. Er hätte nur gerne alle Wölfe aus der Welt geschafft.

Wörtlich schreibt der Mann in einem Leserbrief über den Wolf: «Ich möchte einmal fragen, zu was ist er nützlich? Man hört von allen Seiten: für die Artenvielfalt. Es ist sehr interessant, ein Tier für die Artenvielfalt, das niemand sieht und wenn es einmal einer sieht, so erschrickt er beinahe zu Tode. Mit gutem Gewissen können wir also sagen, der Wolf nützt nichts.»

Ich hingegen meine: Mit gutem Gewissen können wir sagen, dass der Leserbriefschreiber einen fertigen Mist verzapft. Zunächst einmal finde ich es dämlich, von einem Tier zu sagen, es nütze nichts. Die Natur bringt nichts hervor, das nicht irgendeine Funktion hätte. Jeder noch so kleine Organismus hat eine Aufgabe. Und nur weil man ein Tier selten zu Gesicht bekommt, ist es nicht einfach sinnlos. Wir sehen 99 Prozent aller Tierarten in unserem ganzen Leben nie, weil sie gut versteckt oder tief unten im Meer leben. Ist ein Lebewesen erst dann sinnvoll, wenn es uns aus der Hand frisst – oder wenn wir es fressen können?

Der Herr Leserbriefschreiber, Bauer von Beruf, will mit seinem Wolfsgeheul die Schafe schützen, die dann und wann von Wölfen gerissen werden. Wer den Wolf verteidige, so schreibt er, zeige damit, «dass er von Tierzucht und Tierhaltung nicht das Geringste versteht und von Tierliebe überhaupt keinen Funken besitzt». Aha. Der Herr aus Appenzell, der die Wölfe am liebsten durch den Fleischwolf drehen würde, beruft sich auf die Tierliebe. Irgendwie seltsam, nicht?

Es kommt noch besser. Der Mann schreibt weiter: «Weil sie in Italien einen Wolf haben, müssen wir ihn hier auch haben? Genau wie die Kinder, wenn das eine ein Schaukelpferd hat, muss das andere auch eines haben.» Ich bin immer noch damit beschäftigt, diesen Vergleich zu verstehen, es ist nicht ganz einfach. In einem Fall ist die Rede von einem Spielzeug, im anderen von einem Lebewesen. In einem Fall geht es darum, ob verwöhnte Rotzlöffel unbedingt kriegen müssen, was das Nachbarskind hat, im anderen Fall sprechen wir von einem Tier, das schon sehr lange diese Erde bevölkert.

Ich hatte schon das Vergnügen, Wölfe – leider in Gefangenschaft – aus der Nähe zu beobachten. Es sind wunderschöne Tiere mit klugen Augen. Sie sind Fleischfresser, sie reissen Wild, und dann und wann kommt ihnen ein Schaf zwischen die Zähne. Das ist sehr bedauerlich, denn auch Schafe mag ich sehr. Aber so funktioniert die Nahrungskette. Der Wolf existiert nun einmal. Wenn etwas existiert, muss man nicht überlegen, wie man es los wird, sondern wie man richtig damit umgeht. Es ist nicht zu viel verlangt von Schafhaltern, dass sie sich darüber Gedanken machen. Wer ein Haus baut, verlangt ja auch nicht die Abschaffung von Blitzschlag per Gesetz, sondern montiert einen Blitzabeiter.

Wer ernsthaft darüber nachdenkt, eine Tierart systematisch und bewusst auszurotten, weil sie ihm nicht in den Kram passt, dem ist nicht mehr zu helfen. Und was die Frage angeht, was der Wolf eigentlich nütze: Der Leserbriefschreiber muss sich schon die Frage gefallen lassen, was er selbst denn eigentlich der grossen weiten Welt nützt. Würde sie sich nicht mehr drehen, wenn es ihn nicht gäbe?

Lieber Leserbrief-Schreiber: Im Internet steht, dass der Wolf bis zur Entwicklung der Land- und Herdenwirtschaft das am weitesten verbreitete Raubtier der Erde war. Es gab ihn also, bevor es die Landwirte gab. Heute ist er auf ein Minimum dezimiert. Ausgerottet durch menschliche Verfolgung. Wir haben also Deinen Wunsch bereits mehr oder weniger vollständig erfüllt. Zufrieden?

Appenzell InnerrhodenAppenzell Innerrhoden / 27.02.2007 - 17:29:00