Der Träumer

Was haben fehlende Bilder in einem Panini-Album mit der Liebe des Lebens zu tun? Sehr viel, wenn man ein bisschen genauer hinschaut.

Das Leben ist schön. So zumindest sehe ich es. Es hat einem jungen Menschen sehr viel zu bieten, wenn man sich nur darauf einlässt. Ich habe einen Job, der mir Freude macht, bin gesund und kenne ein paar Leute, die ich glaube Freunde nennen zu dürfen. Wirkliche Probleme gibt es eigentlich nicht. Sieht man von der schwerwiegenden Entscheidung zwischen zwei spannenden Büchern in der Buchhandlung mal ab. Dieses Problem lässt sich aber mit einer Verdoppelung der Investitionssumme leicht und elegant umschiffen. Auch ob man nun in der Beiz ein Quöllfrisch oder ein Lager bestellen soll, ist wohl eher zu den Banalitäten des Lebens zu zählen. Zusammenfassend kann man sagen: Ich bin mit mir und meinem Leben zufrieden. Tatsächlich habe ich mir erst kürzlich in einem Gespräch über den Gemütszustand und die Zufriedenheit auf einer Skala von eins bis sechs eine fünf gegeben. In der Schule und im Studium war ich mit weit weniger zufrieden und hätte wohl kaum je den Ehrgeiz entwickelt, mehr als eine Fünf auf der Notenskala zu erreichen. Schliesslich sollten mit ca. 20 Prozent des Aufwandes 80 Prozent der Punkte in einer Prüfung zu erreichen sein.

Was aber soll mich nun dazu bringen, eine bereits erreichte Fünf mit dem Bewusstsein, diesen hohen Zufriedenheitsgrad einzubüssen, aufs Spiel zu setzen, um einen halben oder gar einen ganzen Punkt in der Zufriedenheitsskala gutzumachen? Na ja, es ist nun einmal nicht wie bei den Notenskalen in unserem Bildungssystem. Man kann nicht sagen: Vier ist ok – und alles andere ist Kür. Lieber möchte ich es mit den Panini – Alben an der Fussball ? WM vergleichen. 80 Prozent der Bilder sind schnell gesammelt und eingeklebt. Weitere zehn Prozent erreicht man mit einem etwas grösseren Engagement und einem guten Netzwerk. Schwierig wird’s dann aber mit den letzen beiden Bildern. Um diese noch zu erhalten, muss man sich kräftig ins Zeug legen, und viele Rückschläge werden dem engagierten Sammler wohl nicht erspart bleiben. Aber ein Album, in dem zwei Bilder fehlen, ist im Prinzip nur Altpapier. Ganz so schlimm wird es wohl mit dem Leben nicht sein, aber ich möchte gerne mit 80 oder 90 auf ein komplettes Lebensalbum zurückblicken.

Dass wir Menschen nur mit einem Partner ein erfülltes Leben führen können, ist möglicherweise ein gesellschaftlicher Trugschluss. Zahllose gestandene Ehemänner würden mir dies wohl bestätigen. Noch aber bin ich ein Träumer und glaube an die grosse Liebe, ja an die Liebe fürs Leben. Wer weiss, vielleicht sitze ich noch mit 80 desillusioniert bei meinem Bierchen im Picante. Lieber wär mir natürlich, wenn ich dann meinem Enkel meine Lieblingsbar zeigen könnte.

Nun wie auch immer, ich habe beschlossen, mein Schicksal aktiv zu gestalten. Ich werde in den nächsten Wochen versuchen, eine Partnerin zu finden und dabei auch Methoden ausprobieren, die ich ansonsten wohl eher nicht anwenden würde. Wer weiss, man kann nie wissen, wo das Glück hinfällt und wenn ich hinfalle, halb so wild aufstehen und weiter geht’s.[space]

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