Vernehmlassung zum Entwurf für ein neues Polizeigesetz
Aus Sicht der FDP Thurgau ist die Schaffung eines neuen Polizeigesetzes sowie bzw. eine Totalrevision angezeigt. Im Rahmen dieser Totalrevision können die Anpassungen vorgenommen werden, welche durch das Inkrafttreten der Eidgenössischen Strafprozessordnung (StPO) am 1. Januar 2011 sowie die bundesgerichtliche Rechtsprechung indiziert werden. Die FDP Thurgau begrüsst es sodann ausdrücklich, dass die teils schwerwiegenden Eingriffe in verfassungsmässig garantierte Grundrechte auf Gesetzesstufe normiert werden.
Durch das neue Polizeigesetz wird nach Auffassung der FDP Thurgau ein höheres Mass an Rechtssicherheit und damit mehr Rechtsstaatlichkeit gewährleistet als bisher, weil die verschiedenen Eingriffskompetenzen der Polizei bzw. der polizeiliche Zwang detaillierter normiert werden.
Zu begrüssen ist auch die klare Trennung zwischen der Regelung der Massnahmen zur Wahrung der Polizeigüter (Gefahrenabwehr / Prävention; Störerprinzip) im Polizeigesetz (Aussenwirkung) und den organisatorisch-betrieblichen Vorschriften im DR (innerbetrieblich). Der neue Erlass entspricht zudem zeitgemässer Rechtsetzung.
Die FDP Thurgau nimmt im Nachfolgenden zu einzelnen Bestimmungen bzw. Paragraphen des Entwurfes zum Polizeigesetz Stellung.
Allgemeine Bestimmungen
Die FDP Thurgau ist der Auffassung, dass ein grundsätzlicher Vorbehalt zu Gunsten der StPO zu normieren ist, da eine klare Abgrenzung zwischen Polizei- und Strafprozessrecht sowohl in Theorie als auch in der Praxis kaum je möglich ist. Probleme können sich auch bei einer späteren Änderung der StPO ergeben, weshalb angeregt wird, die StPO im neuen Polizeigesetz ausdrücklich vorzubehalten.
§ 3 und § 3a
Die FDP befürwortet die Variante gem. § 3a. Auf den ersten Blick scheint zwar die Variante von § 3 rechtsstaatlich zu bevorzugen. Bei genauerer Prüfung ergibt sich aber, dass mit einer ausschließlich kantonalen Lösung für den Assistenzdienst bewährte, pragmatische, auf dem Einzelfall angepasste und vor allem kostengünstige Lösungen in einzelnen Gemeinden ausgeschlossen würden, welche rechtsstaatlich ebenso unbedenklich sind.
Zu denken sind an schon seit vielen Jahren praktizierte Einsätze von Securitas in größeren Gemeinden, für deren Ausschluss in der Zukunft keine zwingenden Gründe erkennbar sind. Es besteht daher keine Notwendigkeit, eine kantonale Exklusivität für den Assistenzdienst vorzugeben.
Organisation
§ 7
Die FDP Thurgau regt eine Umformulierung von § 7 Abs. 2 an: «Sie ist für die Gestaltung der Organisation, die Schwergewichtsbildung und die Taktik zuständig.» Der Begriff «im Übrigen» ist ersatzlos zu streichen.
§ 8
Die FDP Thurgau fragt sich, ob diese Bestimmung nicht mit einem Absatz entsprechend § 4 Abs. 2 des Entwurfs ergänzt werden muss, wonach der Regierungsrat ermächtigt wird, interkantonale Vereinbarungen abzuschliessen. Auf diese Kompetenz wird in den Erläuterungen zwar hingewiesen, ohne dass allerdings eine gesetzliche Grundlage geschaffen wird, was problematisch erscheint.
Aufgaben der Kantonspolizei
Ganz grundsätzlich gilt es darauf hinzuweisen, dass im neuen Polizeigesetz nach Auffassung der FDP Thurgau einheitliche Begriffe verwendet werden sollen. Es sollte deshalb auch in den § 10 ff. des Entwurfes von der «Kantonspolizei» und nicht bloss in allgemeiner Form von «Polizei» gesprochen werden.
Zu erinnern ist daran, dass es sich bei der Kantonspolizei um eine Institution handelt, während der Begriff «Polizei» ganz allgemein diejenige staatliche Tätigkeit umschreibt, welche die öffentliche Ruhe und Ordnung, Sicherheit, Gesundheit und Sittlichkeit sowie Treu und Glauben im Geschäftsverkehr schützt.
§ 10
Die FDP Thurgau beantragt die Streichung von § 10 Abs. 2. Nicht die Kantonspolizei, sondern gegebenenfalls Staatsanwaltschaft und Gerichte stellen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und in den entsprechenden Verfahren Straftaten fest. Im Übrigen kann diesbezüglich auf Art. 15 Abs. 2 StPO verwiesen werden.
§ 12
In Abs. 1 dieser Bestimmung ist der Begriff «Feststellung» durch den Begriff «Ermittlung» zu ersetzen. Diesbezüglich kann auf die Ausführungen zu § 10 verwiesen werden, wonach die Kantonspolizei keine Straftaten «feststellt». Zudem müsste in § 12 des Entwurfs zunächst die StPO und erst dann das ZSRG erwähnt werden, nachdem das Bundesrecht dem kantonalen Recht bekanntlich vorgeht und der StPO eine weitaus grössere Bedeutung zukommen dürfte.
Polizeilicher Zwang
§ 15
Die FDP Thurgau ist der dezidierten Auffassung, dass die generelle Zulässigkeit von Zwangsmitteln nicht einfach durch den Regierungsrat geregelt werden darf. Zu erinnern ist daran, dass verschiedene Einsatzmittel wie z.B. Taser in der Vergangenheit sehr umstritten waren. Auch wenn die technische Entwicklung bzw. das Bedürfnis nach rascher Abänderbarkeit für eine Normierung auf Verordnungsstufe spricht, gebietet die Rechtssicherheit, dass eine entsprechende Liste zumindest durch den Grossen Rat genehmigt werden muss.
Die FDP Thurgau verlangt deshalb, dass die abschliessende Liste mit den zulässigen Zwangsmitteln durch den Grossen Rat genehmigt wird. In diesem Zusammenhang kann auf einen Artikel in der NZZ Nr. 114 vom 19. Mai 2009, S. 41, verwiesen werden. Daraus geht hervor, dass im Kanton Zürich auch der Kantonsrat eine abschliessende Liste der erlaubten polizeilichen Einsatzmittel genehmigt. Ob ein generell zugelassenes Einsatzmittel im konkreten Fall angemessen war, ist und muss im Übrigen im Einzelfall beurteilt werden.
§ 18
Die FDP Thurgau weist darauf hin, dass die Bestimmung von § 18 Abs. 1 Ziff. 3 des Entwurfes bei urteilsfähigen Personen problematisch ist. Jedenfalls darf es nicht die Meinung sein, dass die Kantonspolizei bei einem beabsichtigten Suizid oder bei Sterbehilfe Personen ohne weiteres fesseln darf, da dies dem Selbstbestimmungsrecht dieser Person zuwiderlaufen würde. Die Formulierung in § 18 ist deshalb zu allgemein formuliert. Der Regierungsrat wird deshalb eingeladen, diese Bestimmung entsprechend zu präzisieren bzw. einzuschränken.
§ 19
Mit Bezug auf § 19 Abs. 3 des Entwurfs fragt sich die FDP Thurgau, ob mit dieser Bestimmung Warnschüsse ganz grundsätzlich ausgeschlossen werden sollen. Jedenfalls ist den Erläuterungen nichts dazu zu entnehmen.
Polizeiliche Massnahmen
§ 26
Die FDP Thurgau fragt sich, ob diese Bestimmung mit Blick auf Art. 206 StPO überhaupt notwendig ist. Gegebenenfalls ist diese Bestimmung zu streichen.
Ferner ist eine Unterscheidung zwischen Identitätsfeststellung und erkennungsdienstlichen Massnahmen nicht nachvollziehbar, nachdem erkennungsdienstliche Massnahmen grundsätzlich nur bei Vorliegen eines Verdachtes angeordnet werden dürfen. Eine Ausnahme besteht nur bei Identitätsfeststellungen (vgl. Polizeiliche Ermittlung, Zürich 2008, S. 402).
Ohne weitere Voraussetzung zulässig sind also erkennungsdienstliche Massnahmen nur im Rahmen einer Identitätsfeststellung, weshalb es nach Auffassung der FDP Thurgau genügt, wenn in § 26 des Entwurfs lediglich der Begriff Identitätsfeststellung erwähnt wird. Andernfalls könnte ein Widerspruch zu Art. 260 StPO entstehen. Die „erkennungsdienstlichen Massnahmen“ sind deshalb ersatzlos zu streichen.
§ 28
Die FDP Thurgau fordert den Regierungsrat auf, diese Bestimmung nochmals zu überdenken bzw. zu präzisieren, nachdem eine solche Bestimmung in der Praxis die Persönlichkeitsrechte urteilsfähiger Jugendlicher verletzen würde. Probleme entstehen insbesondere auch bei Belastungen der Eltern durch Kinder z.B. bei Sexualdelikten.
Gerade in solchen Fällen muss eine Orientierung zwingend ausgeschlossen werden, da ansonsten der Zweck der Befragung vereitelt würde. Der Regierungsrat wird deshalb aufgefordert, die Formulierung zu überdenken, zumal diese in der vorliegenden Fassung möglicherweise bundesrechtswidrig ist. Allenfalls könnte man die Bestimmung damit ergänzen: «…, soweit das Bundesrecht oder das kantonale Recht nichts anderes bestimmt».
§ 35
Nach Auffassung der FDP Thurgau ist im Polizeigesetz auch die Aufbewahrung und Löschung bzw. Vernichtung der gesammelten Informationen bzw. der Bild- und Tonaufnahmen zu regeln. Vorgeschlagen wird eine Regelung analog § 63 Abs. 4 des Entwurfs. Zudem ist die Maximaldauer bis zur Löschung bzw. Vernichtung im Gesetz festzuhalten und gleichzeitig auch festzuhalten, dass die Löschung bzw. Vernichtung bei Wegfall der Gefahr zwingend zu erfolgen hat.
§ 36
Für die FDP Thurgau ist die Unterscheidung zwischen Vorermittlungen und Ermittlungen ausserhalb einer Strafuntersuchung nicht nachvollziehbar. Es wird deshalb empfohlen, anstelle von «Vorermittlungen und Ermittlungen ausserhalb einer Strafuntersuchung» lediglich von so genannten «Vorfeldabklärungen» zu sprechen, um Widersprüche zum Strafprozessrecht zu vermeiden.
§ 38
Diese Bestimmung des Entwurfes ist ohne Marginalie unverständlich. Der Begriff «Notsuche» gehört nach Auffassung der FDP Thurgau zwingend in den Gesetzestext. Zudem sollte im Gesetz auch ausdrücklich Bezug genommen werden auf Art. 1 Abs. 1 lit. c und Art. 6 lit. a Ziff. 4 BÜPF. Der Gesetzestext könnte wie folgt ergänzt werden: «Die Anordnung einer Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs im Rahmen der Suche und Rettung vermisster Personen (Notsuche) erfolgt… .»
§ 49
Nach Auffassung der FDP Thurgau sollte die Bestimmung dergestalt ergänzt werden, dass von einer Androhung abgesehen werden kann in dringenden Fällen sowie wenn die betroffene Person nicht erreichbar ist. Nach Auffassung der FDP Thurgau sollte zudem im Gesetz festgehalten werden, dass betroffene Personen nach Möglichkeit durch die Polizei informiert werden.
Kostenersatz, Entschädigung
§ 65
Die FDP Thurgau begrüsst ausdrücklich die Aufnahme dieser Bestimmung ins Polizeigesetz. Dadurch wird dem Verursacherprinzip Nachachtung verschafft, was einem Grundanliegen der FDP Thurgau entspricht. Die FDP Thurgau erwartet deshalb, dass diese Bestimmung dann auch konsequent angewendet und umgesetzt wird.
Schlussbestimmungen
§ 13a DSG
Nach Auffassung der FDP Thurgau gehört die Frist gemäss § 13a Abs. 1 Ziff. 2 des Entwurfs ins Datenschutzgesetz. Es genügt nicht, dass der Regierungsrat – wie vorgeschlagen – diese bestimmt.
In diesem Zusammenhang kann im Übrigen auf die NZZ Nr. 181 vom 7. August 2010, S. 19, verwiesen werden, wonach dem Bundesgericht die Zürcher Regelung zu weit ging und die mittlerweile aufgehobenen Bestimmungen als viel zu vage und ohne Einschränkungen formuliert kritisiert wurden. Gemäss Bundesgericht braucht es im Gesetz zumindest Angaben darüber, zu welchem Zweck eine Überwachung gemacht werden darf (in casu:
«Schutz von Personen und Sachen»), an welchen Orten und von wem die Kameras etc. verwendet werden dürfen. Beanstandet wurde vom Bundesgericht auch, dass die Zürcher Polizei die Aufnahmen bis zu 12 Monate lang speichern wollte. Nach Auffassung der FDP Thurgau muss die Dauer der Speicherung also im Gesetz im formellen Sinn bzw. im Datenschutzgesetz selber geregelt werden, wobei eine Frist von drei Monaten vorgeschlagen wird.