Klauen, Kiffen & Frisieren

Frau Bernhard, Sie arbeiten schon einige Jahre bei den Sozialen Diensten in Rorschach. Hatte diese Tätigkeit damals etwas damit zu tun, dass Sie das Amt der Jugendrichterin im Innerrhodischen antreten konnten?
Melchior Looser, ehemaliger Bezirkshauptmann in Oberegg und heutiger Regierungsrat, hat mich für das Amt vorgeschlagen. Sicherlich hing das mit meiner Berufstätigkeit zusammen. In Rorschach erledige ich das Alimentenwesen, Asylwesen und führe im Moment noch 13 vormundschaftliche Mandate. Die Arbeit und die Aufgaben im Jugendgericht haben mir Spass gemacht.

Stichwort Aufgaben: Was beinhaltet Ihr Amt an Tätigkeiten?
Der Jugendsekretär, ab dem 1. Januar der Jugendanwalt, Herr Lütscher, macht die Befragungen und Vorabklärungen. Ich erhalte dann sämtliche Akten vom Jugendgerichtsschreiber Jürg Tobler zur Einsichtsnahme. Diese Unterlagen lese ich dann zu Hause und mache mir Notizen für die Sitzung des Jugendgerichts vom äusseren Landesteil. Dort ist es meine Aufgabe, die Fälle den Jugendrichtern Armin Fürer und Albin Sonderegger vorzulesen. Anschliessend beraten wir uns, bevor das Strafmass entschieden wird.

Liess sich das Amt gut mit Ihrer beruflichen Tätigkeit in Rorschach vereinbaren?
Bis jetzt hatten wir total 36 Fälle zu beurteilen. Je nach Fall war der Zeitaufwand für das Vorstudium der Akten grösser oder kleiner. Dazu kam noch der zeitliche Aufwand für die Sitzungen. Ich verrichtete die Tätigkeit aber immer gerne. Die Amtszeit als Jugendpräsidentin äusserer Landesteil war für mich sehr lehrreich und hat mir einen Einblick in die Gerichtspraxis gegeben. Durch meine vormundschaftlichen Mandate hatte ich natürlich auch eine gewisse Erfahrung in dieses Amt mitbringen können.

Um was ging es meistens bei den Fällen?
Vorwiegend hatten wir Fälle wie «Töffli frisieren», Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz und kleinere Diebstähle.

Hatte das Gericht auch mit Fällen von sexuellen Übergriffen zu tun? Momentan ist dieses Thema ja in aller Munde.
Tatsächlich mussten wir während meiner Amtszeit zwei Fälle klären, die von sexuellen Übergriffen an Jugendlichen beziehungsweise Kindern handelten. Diese Fälle haben mich sehr getroffen, gerade weil es noch Kinder waren. Doch Genaueres darf ich nicht erläutern, da dies unter den Datenschutz fällt.

Und trotzdem haben Sie Ihr Amt gerne ausgeführt?
Das kann ich klar mit einem Ja beantworten. Unter anderem war dies auch darauf zurückzuführen, weil unser Kollegium bei jeder Sitzung zusammen war, es musste nie ein Ersatzrichter einspringen. Das hat mich ausserordentlich gefreut. Kurz, es gab keine Nachteile.

Gerade im kleinen Oberegg ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Sie die Jugendlichen kennen, deren Fälle Sie beurteilen müssen.
Da ich mit meinem Mann erst vor 14 Jahren von Rorschach nach Oberegg umgezogen bin, musste ich nie in den Ausstand treten. Bei allen Fällen habe ich weder die Eltern noch die Jugendlichen gekannt.

Auf was waren die Probleme der Jugendlichen meist zurückzuführen?
Ich stelle oft Parallelen zu meinen vormundschaftlichen Fällen fest. In den meisten Fällen sind die Ursachen in der schwierigen familiären Situation, dem heutigen Wohlstand und der antiautoritären Erziehung zu suchen. Aber auch die Gruppendynamik sowie das allgemeine Umfeld stellen eine gewisse Gefahr für die Heranwachsenden dar.

Welche Gründe bewogen Sie zur Demission?
Ich arbeite vollberuflich in Rorschach; die vormundschaftlichen Fälle werden immer komplexer und schwieriger, was wiederum einen vermehrten Zeitaufwand fordert. Da ich einige Mandate von Kindern habe, kann es vorkommen, dass ich auch an den Wochenenden mit diesen Fällen konfrontiert werde. Auch möchte ich noch Kurse besuchen, die dann auch mit Abend- oder Wochenendarbeiten verbunden sind.

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